Schwerbehindertenausweis für blinde und sehbehinderte Menschen: 7 Fragen und Antworten
2022-01-27 | Von Orcam Staff
Brauche ich als Mensch mit Sehbehinderung einen Schwerbehindertenausweis? Grundsätzlich dient der Ausweis als Nachweis einer Behinderung und berechtigt die Inhaber zum Ausgleich finanzieller Nachteile. Je nach eingetragenem Merkzeichen können mit dem Ausweis auch bestimmte Vergünstigungen und Leistungen wahrgenommen werden. Den Schwerbehindertenausweis kann man beim Versorgungsamt oder in der Kommunalverwaltung beantragen. Die wichtigsten Fragen und Antworten haben wir hier einmal zusammengetragen.
- Warum braucht man den Schwerbehindertenausweis?
Letztlich ist er das Dokument, mit dem man als blinder und schwerbehinderter Mensch seine besonderen Rechte geltend machen kann. In welchem Maße man unterstützt wird, ist vom Feststellungsbescheid abhängig, der den Grad der Behinderung bestimmt.
- Wo beantragt man den Schwerbehindertenausweis
Wer in den Bundesländern, für die die Ausstellung der Schwerbehindertenausweise zuständig ist, muss man erfragen, da es hier unterschiedliche Regelungen und Zuständigkeiten gibt. Meist ist es entweder das Versorgungsamt oder die Kommunalverwaltung. Mit diesem Verzeichnis findet man schnell das richtige Versorgungsamt oder zumindest einen Ansprechpartner, der weiterhelfen kann. In Vorbereitung auf die Beantragung des Schwerbehindertenausweises braucht man zwei Pass- oder Lichtbilder.
- Wer hat Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis?
Jeder mit einem Schwerbehinderungsgrad ab 50. Nach dem Antrag auf Schwerbehinderung erhält man einen schriftlichen Bescheid über den Status der Behinderung oder des Behinderungsgrades (GdB). Er wird in vollen Zehnerschritten von 0 bis 100 angegeben.
Ab der GdB-Anerkennung von 50 erhält man einen Schwerbehindertenausweis. Je nach Merkzeichen sind an den GdB bestimmte Leistungen und Zuschüsse gebunden. In der Regel werden der Grad der Behinderung und das Merkzeichen ab dem Antragsmonat festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Es kann aber auch eine rückwirkende Feststellung erfolgen (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX).
Liegt der Schwerbehinderungsgrad unter 50, aber über 30, kann bei der Bundesagentur für Arbeit ein Gleichstellungsbescheid beantragt werden, der zu den gleichen Schutzrechten wie bei Schwerbehinderten am Arbeitsplatz ohne Sonderurlaub berechtigt.
- Welche Merkzeichen sind für sehbehinderte Menschen relevant?
Die verschiedenen Merkzeichen berechtigen den Inhaber eines Schwerbehindertenausweises zu verschiedenen Ansprüchen. Hier eine kleine Übersicht von denen, die für sehbehinderte und blinde Menschen relevant sind:
RF („Befreiung Rundfunkbeitrag“): Dieses Merkzeichen erhält man, wenn allein aufgrund der Sehbehinderung ein GdB von mindestens 60 bestätigt wurde. Es berechtigt zu einem Nachlass bei den Rundfunkgebühren.
G (Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr): Dieses Merkzeichen wird ab einem GdB von 70 vergeben, wenn man ausschließlich eine Sehminderung hat. Kommen erhebliche andere Störungen wie eine Schwerhörigkeit dazu, genügt auch ein GdB von 50 oder 60. Es berechtigt zur unentgeltlichen Beförderung im Personennahverkehr bzw. alternativ zur Ermäßigung der Kfz-Steuer.
B (Begleitperson im Personenverkehr): Auch dieses Merkzeichen wird ab einem GdB von 70 allein wegen der Sehminderung vergeben. Es berechtigt zur unentgeltlichen Beförderung einer Begleitperson im Personenverkehr und zum kostenfreien oder ermäßigten Eintritt in Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Dies ist allerdings auf freiwilliger Basis. Das Merkzeichen „B“ berechtigt zur Mitnahme einer Begleitperson. Die Mitnahme der Begleitung ist allerdings nicht verpflichtend.
Die Vergabe des Merkzeichens “B“ erfolgt in der Regel nur an Personen, die gleichzeitig „Merkzeichen „G“ (erheblich gehbehindert), „Merkzeichen H“ (hilflos) oder „Merkzeichen Bl“ (blind) haben.
H (hilflos): Erwachsene, die allein wegen der Sehminderung einen GdB von 100 haben, bekommen zusätzlich dieses Merkzeichen. Es berechtigt unter anderem zu Steuerermäßigungen, kostenloser Nutzung des Nahverkehrs, der Befreiung von der KFZ-Steuer und der Bezahlung von Krankenfahrten unter besonderen Umständen.
Bl (blind): Auch dieses Merkzeichen wird ab einem GdB von 100 allein wegen der Sehminderung und der Erfüllung weiterer Voraussetzungen vergeben. Es dient dem Nachweis von Blindheit bei der Beantragung von Blindengeld oder Blindenhilfe, erleichtert das Parken und berechtigt zu weiteren Steuervergünstigungen.
- Wann ist man im Sinne des Gesetzes blind?
Vor dem Gesetz ist man blind, wenn das Augenlicht vollständig fehlt oder wer auf einem Auge oder beiden Augen eine Sehschärfe von nicht mehr als 0,02 (1/50) besitzt.
Blind kann man aber auch bei einer besseren oder sogar normalen Sehschärfe sein, wenn das Gesichtsfeld maßgeblich beeinträchtigt ist.
Blind nach dem Schwerbehindertenrecht und damit berechtigt für das Merkzeichen „Bl“ ist man jedoch nur, wenn sich die Störungen auf die Sehrinde oder den Sehapparat beziehen. Kann man beispielsweise durch eine Hirnschädigung die visuellen Reize nicht mehr übersetzen und aus diesem Grund nicht sehen, kann es sein, dass man vor dem Gesetz nicht BI-berechtigt ist.
- Wie wird die Sehminderung festgestellt?
Die augenärztliche Untersuchung der Sehschärfe erfolgt einäugig und beidäugig. Maßgeblich ist immer die Sehschärfe mit bestmöglicher Korrektur, also mit Brille oder Kontaktlinsen. Im Rahmen des Feststellungsverfahrens gibt es für die Sehschärfeprüfung und die Bestimmung des Gesichtsfeldes vorgegebene Prüfmethoden, die man beachten sollte. Es ist sehr wichtig, im Vorfeld zu erfragen, ob der untersuchende Augenarzt über die vorgegebenen Prüfgeräte verfügt.
- Welche Begünstigungen erhält man mit dem Merkzeichen BI?
• Blindenhilfe und in vielen Bundesländern Landesblindengeld kostenlose Beförderung im öffentlichen Nahverkehr (§§ 228 ff. SGB IX)
• Kraftfahrzeugsteuerbefreiung (§ 3a Abs. 1 KraftStG)
• Rundfunkbeitrag: Befreiung für Empfänger von Blindenhilfe
• Telekom-Sozialtarif bei GdB von mind. 90: Ermäßigung um bis zu 8,72 €/Monat
• Pauschalbetrag bei der Steuer absetzbar: 7.400 € (§ 33b Abs. 3 Satz 3 EStG)
• Blauer Parkausweis (§ 46 StVO)
• Befreiung von der Hundesteuer möglich
• Krankenkasse übernimmt Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen (§ 60 SGB V)
• Behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale bei der Steuer absetzbar: 4.500 € (§ 33 Abs. 2a EStG)
Übrigens: Ein Schwerbehindertenausweis ist nicht zwingend erforderlich, um die OrCam MyEye bei der Krankenkasse zu beantragen. OrCam MyEye ist ein innovatives Hilfsmittel für Menschen mit Sehbehinderung, das gedruckten oder digitalen Text von allen Oberflächen vorliest sowie bekannte Gesichter, Geldscheine und Farben erkennen kann.Wie die Kostenerstattung funktioniert und was es dazu braucht, haben wir in diesem Artikel zusammengefasst.
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